Magische Anziehung
Wie wir uns verlieben
Esther Guggisberg
Wir alle kennen ihn.
Den Moment, in dem du auf jemanden ganz Besonderen triffst. Die Zeit steht plötzlich still. Ihr macht euch bekannt, beginnt ein Gespräch. Alles rundherum verschwindet. Es geschieht wie im Traum. Du fragst dich: Kann das sein? Gibt es diesen Menschen wirklich? Es ist Liebe auf den ersten Blick, Magie, Faszination, Anziehung pur. Ihr lernt euch kennen. So vieles passt. Es harmoniert einfach. Seelenverwandtschaft. Du bist überglücklich; endlich hast du diesen Menschen gefunden.
Ihr geht eine Beziehung ein und verbringt viel Zeit miteinander. Langsam schleicht sich der Alltag ein. Man gibt sich nicht mehr so Mühe. Missverständnisse entstehen, Bedürfnisse werden zurückgestellt. Unbeachtete Wünsche werden zu Kritik, zu Nörgeln und anfängliche Offenheit zu Rückzug. Beziehungsbrennpunkte kommen auf und nehmen überhand. Es wird dir/ihm/ihr zuviel. Ihr trennt euch.
Was ist geschehen? Wo ist die Magie des Anfangs geblieben?
Prägungen sind anziehend
Wenn wir uns frisch verlieben, scheinen alle Hindernisse überwindbar. Die Hormone spielen verrückt und vernebeln tatsächlich die Sicht auf die Realität. Die Natur hat es wunderbar eingerichtet, damit wir uns überhaupt auf einen anderen Menschen mit seinen Sonnen- und Schattenseiten einlassen. Der Andere scheint am Anfang für uns perfekt – und wir für ihn. Aber wie wird dieses Gefühl der Einzigartigkeit des Anderen ausgelöst? Die magnetische Anziehungskraft? Dieses Gefühl absoluter Vertrautheit?
In der Kindheit sind wir abhängig von unseren Bezugspersonen, wie Eltern, anderen Familienmitgliedern und Aufsichtspersonen. Und das, was wir vom Aussen erfahren, ist das, was wir als Liebe, Zuneigung, Fürsorge und das Gefühl von «Zuhause-Sein» abspeichern. Es ist die Haltung dieser Personen, Mimik, Gestik, Worte, ihr Umgang. Alles gespeichert in unserer Erinnerung. Bilder vollgepackt mit Emotionen, die uns in Momenten, die gleich erscheinen, mit Menschen, die gleich wirken, wieder ausgelöst werden. Bei diesen Gefühlserinnerungen spielt es für unser Vertrautheitsgefühl aber keine Rolle, ob die Erlebnisse positiv oder negativ waren.
Egal ob wir in unserer Kindheit vorwiegend sicher und gut aufgehoben waren, oder ob wir Instabilität oder gar missbräuchliche Situationen erlebt haben. Unsere inneren Programme wurden geschrieben, Eindrücke aufgenommen, Emotionen dazu entwickelt und zusammen mit Glaubenssätzen und Verhaltensmustern abgespeichert. Wir alle tragen alte Wunden und Enttäuschungen in uns.
Als Kinder beziehen wir äussere Geschehnisse grundsätzlich auf uns. Wir wurden zeitweise missverstanden, fühlten uns ausgegrenzt, abgelehnt und ungeliebt, nicht anerkannt oder eingeengt. Damals spielte es für unsere Wahrnehmung keine Rolle, aus welcher Motivation die Bezugsperson etwas sagte oder tat. Wir bezogen es auf uns, nahmen es persönlich, woraus sich Verletzungen, Minderwertigkeitsgefühle und Glaubensmuster formten. Automatisch entstand dazu ein Verdrängungs- und Verteidigungsmechanismus, der vor erneuten Verletzungen schützen sollte. Wir haben erst später gelernt, zu reflektieren und komplexe Zusammenhänge zu bilden. Doch manchmal erkennen wir auch dann nicht, wie Aktuelles mit Vergangenem verbunden ist.
Geweckte Erinnerungen: Täuschung und Ent-Täuschung
Wenn wir neue Bekanntschaften machen, Freundschaften schliessen und Beziehungen eingehen, erleben wir immer wieder «magische» Momente, Anziehung, Verbundenheit oder Liebe auf den ersten Blick. Der andere Mensch spiegelt uns etwas, was wir kennen. In unserem Emotionszentrum werden Erinnerungen (Optik, Mimik, Gestik usw.) abgerufen und die Gefühle dazu ausgelöst. Sie erinnern uns an nahe stehende Personen aus unserer Vergangenheit. Es fühlt sich vertraut an. Unterbewusst sind wir dann auch überzeugt, dass das, was in der Vergangenheit schief gelaufen war, endlich richtig gestellt werden kann. Endlich haben wir die Chance, richtig geliebt, gesehen und anerkannt zu werden und unsere Verletzungen aus der Vergangenheit heilen zu können. Der Beginn der Beziehung war so wundervoll, so magisch und kraftvoll – da müsste doch alles möglich sein, oder etwa nicht? Als unsere Retter werden an den Partner und die Beziehung unerreichbare Erwartungen gestellt. Dass wir den Anderen in eine Position drängen, in der er unsere Emotionen aus der Vergangenheit – sprich das Kind in der Vergangenheit – retten soll, ist uns nicht bewusst. Diese Selbsttäuschung führt automatisch zur Ent-Täuschung. Die alten Verletzungen brechen auf und werden immer und immer wieder reaktiviert. Dazu kommen Verteidigungsmechanismen mit Vorwürfen und Angriffen, so dass der Graben zwischen uns und unserem Partner immer grösser wird.
Heilsame Wahrheit
Genauso wie uns der Partner die schönen Gefühlsmomente erwecken kann, holt er uns auch die Altlasten hervor. Wenn wir diese psychologischen Grundlagen kennen und uns darüber im Klaren werden, was uns am Gegenüber anzieht und welche Gefühle hervorgerufen werden, können potenzielle Konfliktherde bewusster angegangen werden. Mit der Zeit kennen wir unsere Triggerpunkte besser. Und ja, wir können diese Verletzungen heilen und alte Muster und Glaubenssätze, die uns nicht gut tun, auflösen.
Das heisst, wir setzen Verletzungen in den Kontext des damals Erlebten, können Eindrücke und Gefühle verarbeiten und Vergangenes in der Vergangenheit lassen. Wir trennen damalige Bedürfnisse von heutigen Wünschen. Wenn wir diese respektvoll kommunizieren, für uns selbst einstehen und auch lernen, uns selbst Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen, ergibt sich daraus eine reflektierte und selbstverantwortliche Haltung.
Manchmal brauchen wir dabei Unterstützung und ein unbeteiligtes Gegenüber. Komplexe Situationen aus der Vergangenheit können mithilfe von Coaching oder auch therapeutischer Begleitung geklärt werden.
Wie du merkst, geht es schlussendlich nicht mehr nur um den Partner oder darum, was dir von Aussen erfüllt werden kann. Es geht dabei um dich und den Umgang mit dir selbst. Diesen lernen und erleben wir fortwährend. Es ist ein spannender Prozess voller Herausforderungen. Sie werden zu Bereicherungen und beschenken uns mit Selbstvertrauen, Reife, unserer individuellen Lebenserfahrung und Weisheit.
Komme mit auf die Reise zu dir selbst: Metamorphosis
Jederzeit kannst du auch eine Coachingbegleitung bei mir in Anspruch nehmen.