Selbstliebe im Liebeskummer
Esther Guggisberg
Liebeskummer wird als Begriff oft verniedlicht und belächelt; er klingt nach Jugendzeit und Teenager-Getue. Dahinter stecken aber tiefer Schmerz und eine der grössten Ängste des Menschseins.
Da wir alle im Laufe unseres Lebens Beziehungen eingehen und nicht immer alles so funktioniert, wie wir uns das vorstellen, kennen wir die Gefühle der Enttäuschung: Ohnmacht, Wut, Empörung, Trauer, Schmerz, Angst. Es gibt verschiedene Nuancen und Abstufungen. Manches können wir verschmerzen, anderes kann an uns hängen bleiben. Mit all den Erfahrungen im Gepäck kostet es viel Mut, sich wieder neu auf einen anderen Menschen einzulassen. Und umso grösser ist die Angst davor, verletzt und verlassen zu werden. Wenn es dann doch eintrifft, greifen unsere Ur-Muster, die wir uns zu diesem Thema angeeignet haben. Glaubenssätze werden aktiviert und die Spirale beginnt, sich zu drehen.
Der Liebeskummer bei einer Trennung
Einflüsse auf den Körper
Ein wichtiger Teil beim Durchlaufen von Liebeskummer bei Trennungen ist das Wissen darüber, dass wir nun an einem Entzug leiden. Diesen Entzug gilt es nicht zu verniedlichen. Es sind die gleichen Auswirkungen und körperlichen Beschwerden wie bei einem Suchtmittelentzug, Unwohlsein, körperliche Schmerzen, Konzentrations- und Schlafstörungen, Kopfweh, Ängste, depressive und/oder aggressive Verstimmungen, Verdauungsbeschwerden, Appetitlosigkeit, sozialer Rückzug. Zu wissen, dass unser ganzes System vom Liebeskummer betroffen sein kann, hilft in erster Linie zu mehr Verständnis. Wir können uns Gutes tun, sorgfältig, geduldig und schonend mit uns umgehen. So als ob wir von einer Krankheit genesen.
Trennungsschmerz und Angst vor dem Alleinsein
Es ist tatsächlich so, dass Trennungen körperlich schmerzen. Das hat die Natur freundlicherweise so eingerichtet, damit sich unsere Ahnen in grauer Vorzeit nicht vom Stamm entfernten. Alleine war das Überleben kaum möglich. Wir sind soziale Wesen und brauchen eine stabile soziale Struktur. So tut es weh, von der eigenen Sippe getrennt zu sein, und heutzutage steht die Partnerschaft oft für die neu gewählte Gemeinschaft. Daher rührt auch unsere Angst vor dem Alleinsein und der damit verbundenen Einsamkeit. Es ist ein biologischer Reflex und trifft auch gestandene Frauen und Männer, die sonst wunderbar alleine zurechtkommen, tief im Herzen.
Gefühlsprozesse
Zu wissen, dass es für unseren Körper und unsere Psyche eine sehr anstrengende Zeit ist und diese auch vorbeigeht, kann etwas Druck wegnehmen. Und dennoch gilt es, den Prozess bewusst zu durchlaufen.
Während der Liebeskummerphase erleben wir ein Wechselbad der Gefühle. Kaum haben wir uns etwas gesammelt, kann schon eine Kleinigkeit den Schmerz in Erinnerung rufen, so dass wir uns wieder wie ein Häufchen Elend fühlen. Wut und Hass, Trauer und Enttäuschung, Ohnmacht und Verzweiflung. Dabei ist es entscheidend, sich selbst für diese Gefühle nicht zu bestrafen. Dieses emotionale Wechselbad läuft zudem zeitlich gesehen in Stufen ab und wir durchlaufen verschiedene Phasen:
- Schock, Unglaube; die Realität hat sich schlagartig verändert
- Wut, Empörung; sich auf einer aggressiven Ebene gegen die veränderte Realität wehren
- Trauer ums Verlorene, schmerzender Verlust; der Verlust wird Realität und Gefühle von Trauer und Leid werden zugelassen und verarbeitet
- Hoffnung und Blick nach vorne; eine neue Realität wird möglich
Verdrängter Trennungsschmerz
Viele Menschen haben Mühe, vermeintliche «Schwäche» wie Gefühle von Verletzung, Schmerz, Leid und Trauer zuzulassen. Mithilfe von Wut, durch Unterdrückung und durch Glaubenssätze wird über die Verletzung hinwegmarschiert. Dabei geht ein wichtiges Stück Heilungsprozess verloren. Was verletzt wurde, wird nicht geborgen sondern mit einem Metallschild eingepfercht. Wer seine Verletzung nicht durchfühlen konnte, zeigt sich auch in kommenden Beziehungen nicht mehr verletzlich. Die Verletzlichkeit brauchen wir jedoch, wenn wir uns jemandem öffnen wollen und dafür geliebt werden möchten, wer wir wirklich sind. Es ist also entscheidend, dass wir Verletzung, Weichheit und Trauer zulassen.
Keine zusätzliche Selbstverletzung
Ausserdem ist es wichtig, dass wir uns in unserer Verletzung nicht in Selbstvorwürfen verlieren und uns die Schuld an allem geben. Wie würdest du mit einem kleinen Kind reden, das seine Eltern vermisst? Würdest du es tadeln und ihm sagen, dass es daran selbst Schuld ist oder dass seine Eltern es nicht mehr lieb haben? Wohl kaum. Also tue es auch nicht mit dir selbst. Gib dir nicht die Schuld und verletze dich bitte nicht selbst. Sei achtsam und liebevoll im Umgang mit dir und deiner Verletzung.
Glaubenssätze nicht anheizen
In jedem Menschen stecken tiefsitzende Glaubenssätze. Manche bestärken uns und helfen uns, vorwärts zu kommen. Andere limitieren den Denk-, Fühl- und Handlungsspielraum und können uns sogar sabotieren. Das gilt auch in punkto Beziehung und bei Liebeskummer. Diese können lauten: «Ich wusste doch, dass er wieder geht.» «Sie war gar nie wirklich an mir interessiert.» «Niemand will mich.» «Ich bin nicht gut genug.» usw.
Diese Glaubenssätze können alt sein und aus vorherigen Beziehungserfahrungen stammen. Sie können leider auch übernommen worden sein, z.B. von einem Elternteil. Unbewusst dienen die Glaubenssätze als Erklärung. Wenn uns etwas widerfahren ist, wollen wir sofort den Grund kennen. Wir fragen uns: «Wie konnte so etwas passieren?» Wenn bereits Ansätze von negativen Glaubenssätzen vorhanden sind, werden diese aus dem Unterbewusstsein hervorgekramt und mit weiteren Zutaten aus der aktuellen Situation angereichert. So dass wir uns nach diesem Mahl ziemlich übel ist.
Liebeskummer – nicht nur bei Trennungen
Liebeskummer in der Beziehung
Es ist nicht wahr, dass wir nur unter Liebeskummer leiden, wenn eine Beziehung endet. Auch innerhalb einer Partnerschaft sind die verschiedenen Aspekte von Liebeskummer möglich. Da tröstet es nicht zu wissen, dass wir «zumindest einen Partner haben». Wenn uns der Partner enttäuscht, ist es erst einmal wichtig, sich selbst ernst zu nehmen. Spüre, was mit dir geschehen ist, und suche das Gespräch mit deinem Partner. Vielleicht ist es dem Anderen gar nicht bewusst. Lass nicht zu, dass die Gefühle in dir gären und neue Glaubenssätze und Projektionen hervorrufen. Diese verletzen dich selbst und bleiben zwischen dir und deinem Partner stehen. So baust du Mauern, die langsam ins Unterbewusstsein entschwinden, und es wird mit der Zeit immer schwieriger, deren Herkunft und Entstehen zu ergründen und aufzulösen.
Liebeskummer als Single
Auch als Single empfinden wir Liebeskummer, wenn uns zum Beispiel eine Partnerschaft fehlt. Vielleicht hängen wir noch an einer verlorenen Liebe oder trauen uns einfach nicht, uns auf jemand Neues einzulassen. Auch hier gilt es, die verschiedenen Gefühle anzunehmen und uns von unbrauchbaren Glaubenssätzen zu verabschieden, damit Vergangenes losgelassen werden kann. Mit der Sehnsucht nach Nähe laden wir allmählich auch eine neue Partnerschaft ein. Lass es dir gut gehen und sorge für dich. Du darfst deine Wünsche haben, du kannst sie sogar aufschreiben – und beispielsweise einen «Partnerbrief» schreiben.
12 Tipps bei Liebeskummer
Damit der Liebeskummer verarbeitet werden kann und sich nicht dauerhaft in deinen Alltag einschleicht, hier meine Tipps:
Tipp Nr. 1
Das, was du jetzt bereits getan hast. Und zwar, dich über Liebeskummer und die Verarbeitung zu informieren (siehe oben). Wissen hilft, sich selbst zu verstehen und besser annehmen zu können. Bei einer Trennung ist Abstand wichtig, so dass wir den Entzug durchlaufen können und nicht immer wieder alles aktiviert wird.
Tipp Nr. 2
Bring deinen Körper in Bewegung. Gehe spazieren, tanze, mache Sport oder ganz einfach: steh auf und schüttle deinen Körper mal ordentlich durch. Bewegung baut Stresshormone ab und schüttet Glückshormone aus. Also los!
Tipp Nr. 3
Umarmungen und kuscheln – mit guten Freunden oder deinem Haustier. Streicheleinheiten zu geben und zu empfangen, löst das Bindungshormon Oxytocin aus. Es ist für Entspannung und Zufriedenheit zuständig. Wenn gerade niemand zum Kuscheln da ist, kannst du dir auch eine wunderbare Entspannungsmassage gönnen.
Tipp Nr. 4
Finger weg vom Alkohol! Sorry, ich weiss, Alkohol desinfiziert Wunden. Und dennoch stört es den Verarbeitungsprozess im Gehirn, schwächt und macht anfällig für unnötige Gefühlsausbrüche. Ausserdem schläft es sich mit einem Rausch echt nicht gut und nicht tief, was die Verarbeitung stört.
Tipp Nr. 5
«Bettdecke über den Kopf ziehen» hört sich zwar etwas banal an, hilft aber insofern, dass in der R.E.M.Schlafphase (Rapid Eye Movement) die Verarbeitung unseres Gehirns sehr aktiv ist. So können unangenehme Erlebnisse mit viel Schlaf besser verarbeitet werden. Die Verarbeitung über Augenbewegungen nutzen wir übrigens auch im Coaching mit der wingwave-Methode.
Tipp Nr. 6
Es ist wichtig, dass du den Liebeskummer und die Gefühle dazu verarbeitest. Akzeptiere deine Gefühle, durchfühle sie und lasse sie dann auch wieder ziehen. Halte sie nicht unnötig mit Drama-Schwelgen, kitschigen Filmen und quälender Musik aufrecht.
Tipp Nr. 7
Bearbeite deine Glaubenssätze.
Und vor allem keine neuen erschaffen.
Tipp Nr. 8
Lass dir Zeit und triff keine übereilten Entscheidungen. Du befindest dich im Moment in einem Ausnahmezustand. Jetzt solltest du dich nicht noch mit weiteren Themen beladen. Gib dir erst einmal Zeit, deine Situation zu verarbeiten.
Tipp Nr. 9
Hol dir Unterstützung aus deinem Umfeld. Höre gut auf deine Intuition und wähle Menschen aus deinem Umfeld aus, die dich authentisch, fürsorglich und wohlwollend unterstützen. Sie sollen dir gut zureden und dich mit Komplimenten überhäufen. Manchmal ist es wichtig, dass du über deine Probleme reden kannst. Aber manchmal ist es einfach wichtiger, dass dir jemand sagt, wie gut und liebenswert du bist. Und zwar so lange, bis du es auch spürst.
Tipp Nr. 10
Viel trinken (Nein, immer noch nicht Alkohol ;)). Wir bestehen zum grössten Teil aus Wasser. Wasser speichert Informationen. Also raus mit den negativen Emotionen, Schwingungen und Molekülen. Durchspülen ist angesagt. Und lass dich von deinen guten Freunden auch gleich mit mineralstoffreicher Nahrung versorgen – damit ist nicht die Multipackung Kekse oder der grosse Topf Eis gemeint. Gemüse, Früchte und Nüsse enthalten wertvolle Nährstoffe, die deinen Organismus jetzt unterstützen.
Tipp Nr. 11
Hol dir Hilfe beim Profi. Wenn du merkst, dass du alleine nicht mit deinem Innenleben zurechtkommst oder das Ganze schon zu lange andauert, dann hole dir professionelle Hilfe. Es gibt spezialisierte Coaches und Therapeuten. Mit der wingwave-Methode können Stressgefühle abgebaut und Emotionsschlaufen durchbrochen werden. Ausserdem bearbeiten wir gleich die Glaubenssätze, so dass du einfacher loslassen kannst.
Tipp Nr. 12
Verarbeite kreativ. Die Körperebene haben wir schon angesprochen – Sport, Bewegung, Tanzen. Du kannst deine Gefühle und Gedanken auch niederschreiben oder malen. Verarbeite sie in Wort und Bildern, vielleicht sogar in Musik. Schreien und lautes Mitsingen beim Autofahren zählt übrigens auch 😉