Schattentanz – über den Umgang mit unangenehmen Gefühlen
Esther Guggisberg
Mein Lieblingsthema. Nicht. Ah ja doch, also beruflich. Privat in etwa genauso wenig wie bei dir
Unangenehme Gefühle und Emotionen gehören zum Menschsein und unseren Erfahrungen dazu. Unangenehme – manchmal auch als «negativ» bezeichnete – Gefühle zu leugnen, bedeutet, einen wichtigen Teil unseres täglichen Erlebens und somit gegenwärtiger Momente für nichtig zu erklären.
Ich verstehe dich. Doch mit dem Verdrängen von Negativem zugunsten von Highflys verpassen wir nicht nur ein grosses Spektrum menschlichen Erlebens – ja des Lebens an und für sich. Im Wegdrücken und Verdrängen verlaufen wir uns auf endlosen Irrwegen und werden anfällig für Betäubungen und Süchte aller Art – nicht nur körperfremde Substanzen, auch Beziehungs-, Sex-, Shopping-, Schönheits-, Geltungs-, Leistungs-, Arbeits-, Sportsüchte usw, die körpereigene Drogen und innere Kicks auslösen.
Damit wir uns darin nicht verlieren und einen Teil unserer Selbst verleugnen und abspalten, braucht es das Selbstmitgefühl. Wir dürfen lernen, mit uns selbst mitzufühlen, es zuzulassen und darin die Schönheit des Lebens, der Kontraste, wahrzunehmen. Kein Glück so süss und bezaubernd, keine Zufriedenheit so genussvoll und befriedigend, wie im Kontrast zu Leid, Schmerz und Verlust. Und dies schreibe ich nicht, um Letzteres zu verherrlichen, denn mehr um es anzunehmen und die eigene schräge Schönheit darin zu erkennen.
Auch können wir dadurch sehr viel lernen und neue Stärken entwickeln. In der Einschränkung suchen und entdecken wir die Freiheit. Scham entwickeln wir zu Würde und Stolz. Verletzlichkeit wird zu Integrität. Trauer und Ohnmacht verwandeln sich in gesunde Aggression, deren Energie sinnvoll genutzt werden kann.
Lerne durch Kontrast. Und lerne durch bewusste Erfahrung. Unangenehme, drückenden, drängende Gefühlszustände machen Angst: Wird es schlimmer? Verliere ich die Kontrolle? Hört es jemals wieder auf?
Im Moment des Erlebens kann es sich unendlich anfühlen. Unendlich tief (das erlebte Gefühl), unendlich lang (die Zeit / der Moment). Wenn du drinsteckst, kannst du dir vielleicht gar nicht vorstellen, dass es jemals wieder aufhört. Aber es hört auf. Wenn du durch bist, dann weisst du es. Vorher ist diese Vorstellung manchmal einfach unmöglich. Genau das macht es ja so unangenehm.
Mit der Erfahrung keimt in dir vielleicht langsam eine ganz leise Stimme, die dir sagt: «Es geht vorbei.» «Es wird wieder gut.» «Du schaffst das.»
Du glaubst dieser Stimme nicht. Nein, es bleibt für immer so und wird nie wieder, ich gehe darin unter, ich steeerbe!!!
Du wirst nicht sterben und die Stimme wird beständiger: «Es geht vorbei.» Und mit der Zeit darf sie dir das sagen, auch wenn du es nicht immer gleich glaubst. Du schöpfst Vertrauen. Vertrauen in dich und dein Empfinden. Ja, es fühlt sich schrecklich, schlimm, fürchterlich und quälend an. Und ja, es ändert sich wieder.
Ihre Botschaft
Unangenehme Emotionen tragen Botschaften für dich in sich. Sie haben immer die Motivation, dich darauf aufmerksam zu machen, was nicht in Ordnung ist. Sie sind Botschafter und Wegweiser zurück zu deinem Wohlbefinden. Sie nicht fühlen zu wollen, bedeutet somit leider auch eigene Wünsche, Werte und Bedürfnisse zu unterdrücken. Deswegen oft das Kompensationsverhalten (siehe Süchte oben).
Mehr über die Bedeutung und Botschaften der Basisemotionen und weiterer Gefühle erfährst du in diesem Artikel, bei mir im Metamorphosis Onlinekurs und in den Coachings.
Wir alle tragen einen Rucksack angefüllt mit «alten» Gefühlen, emotionalen Reaktionen aus vergangenen Situationen. Dieser Inhalt kann sich jederzeit über uns ergiessen, wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Es braucht Mut, Wille und Disziplin, da hindurch zu gehen, sich den alten Mist anzuschauen, zu durchfühlen und ihn loszulassen. Diverse Therapieformen und Coachings helfen genauso wie Schreiben, Kunst, kreative Verarbeitung. Und natürlich liebevolle Begleitung und bestärkende positive Erfahrungen.
Unsere aktuelle Zeit erfordert mehr denn je, dass wir sehr achtsam mit uns und unseren Gefühlen umgehen. Verdrängen wir, sind wir ohne Ende manipulierbar. Wir sehen, was im Moment auf dieser Welt geschieht. Es war schon immer so, dass die Menschen über «negative» Emotionen beeinflusst und gesteuert wurden, da ihnen so Voraussetzungen für bestimmte emotionale Bedürfnisse erst entzogen, dann über vermeintliche Lösungen wieder präsentiert wurden.
Nehmen wir die Verantwortung zurück, übernehmen sie für unseren Zustand und werden aktiv statt reaktiv.