Nach #metoo – die weibliche Wunde und die Heilung durch die Archetypen
Esther Guggisberg
Die #metoo-Debatte brachte etwas Wichtiges an die Oberfläche, doch damit ist es längst nicht erledigt. Nachdem das Pendel nun ausgeschlagen hat, braucht es eine Transformation, sprich Verarbeitung und Entwicklung. Daraus entsteht die Basis von Klarheit und Gleichberechtigung, in der jede/r eigene Vorlieben in respektvoller Weise leben kann.
Stereotypen und vorgegebene Rollenbilder dienen zur Vereinfachung von Denken, Fühlen und Handeln. Helfen sie doch, bei Unkenntnis oder mangelndem Interesse daran, sich mit eigenen oder fremden Wünschen und Bedürfnissen, Sehnsüchten und Ängsten zu beschäftigen, über das Fehlen eigener Tiefe hinwegzutäuschen. Hinter stereotypischen Mustern können Mann und Frau sich verstecken, sich aber auch darin verstricken, in Oberflächlichkeiten und Missverständnissen steckenbleiben.
Sind wir jedoch erst einmal auf den Geschmack gekommen, die Reichhaltigkeit unserer Innenwelt und der verschiedenen archetypischen Aspekte zu ergründen, finden wir uns auf einer transformativen Reise wieder, die sich nicht mehr aufhalten lässt. Ist es doch eine der grössten menschlichen Sehnsüchte, sich selbst näher zu kommen. In der Tiefe können wir erkennen und in Stärke und Echtheit eine neue Form kraftvoller Verbindungen bilden.
Was, wenn wir Stereotypen aufbrechen? Wenn wir einen Schritt weitergehen und archetypische Qualitäten sicht-, fühl- und fassbar machen?
Die weibliche Wunde
Die Geringschätzung weiblicher Qualitäten, sowie Minderbewertung, Grausamkeiten und Gewalt, die in den letzten Jahrtausenden an Mädchen und Frauen verübt wurden – und in einigen Regionen dieser Welt immer noch an der Tagesordnung sind – führten zu einer tiefen Verletzung der kollektiven Weiblichkeit. Auch Angst-, Scham- und Schuldgefühle, die damit verbunden sind, weiblich zu sein, sind für viele von uns noch immer vorhanden, fühl- und sichtbar. Über Generationen wurden Schmerz und Minderwertigkeitsgefühle weitergegeben.
Starke Frauenfiguren stachen aus der Masse hervor. Viele wurden zum Schweigen gebracht – oft sogar aus den eigenen Reihen. Die Angst vor Konsequenzen, vor Bestrafung und Ächtung geistert noch immer umher. Misstrauen und Neid untereinander vergiften bis heute so manche Frauengemeinschaft und schwächen die Weiblichkeit. Der Konkurrenzkampf unter Frauen ist real und evolutionsbiologisch auch nicht wegzudenken. So zu tun als ob, bringt uns nichts.
Stereotypische Rollenbilder dienen vermeintlich auch zum Schutz. Indem wir uns einfügen und somit weder negativ noch positiv auffallen, sondern entsprechen und reinpassen, kleben wir ein dürftiges Pflaster auf eine unverheilte Wunde. Heilung geschieht jedoch auf einer weit tieferen Ebene. Denn erst wird diese Wunde als das anerkannt, was sie ist – eine Verletzung des (Selbst-)Wertes als Frau, als Mensch. Damit sind Emotionen, Gefühle und körperliche Empfindungen verbunden, welche zu teilweise fest zementierten Gedanken- und Handlungsmustern geführt haben. Sich minderwertig zu fühlen, ist die Basis dahinter, sich minderwertig behandeln (zu lassen). Im Anerkennen dessen, was war und was dadurch ausgelöst wurde, liegt ein grosser Schritt zur Heilung.
Archetypische Ressourcen zur Stärkung
Ob wir die Wunden unserer eigenen Geschichte verarbeiten oder uns einem kollektiven Thema widmen, spielt eine sekundäre Rolle, denn alles ist miteinander verbunden. Wer sich selbst heilt, trägt zur Gesundung dieser Welt bei. Und dabei kann uns eine tiefe Kraft in vielfältiger Erscheinung helfen.
Die Archetypen sind gemäss dem Psychiater Carl Gustav Jung Anteile der menschlichen Psyche, die dem kollektiven Unbewussten entspringen, kulturell unabhängig sind und dennoch weltweit gleichbedeutend wirken.
In meinem Buch «Die 9 Archetypen der Frau» habe ich 9 Essenzen der Psyche von Frauen als innere Ressourcentypen ausgearbeitet. Jede dieser 9 Aspekte trägt mit ihrer Kraft dazu bei, als Frau innerlich zu heilen. Mit der Abenteurerin sind wir bereit, uns auf die Reise zu uns selbst zu machen; die Kriegerin sorgt für den nötigen Schutz und eine tiefe Motivation, sich dem eigenen Herzen zu widmen; die Sinnlich-Kreative macht uns empfänglich, sensitiv und schöpferisch; die Wilde ist bereit, Konventionen über Bord zu werfen und aus der Erstarrung auszubrechen; die Fürsorgliche nährt, heilt und stellt die Verbindung zur emotionalen Gesundheit wieder her; die Partnerin sorgt für den respektvollen Dialog im Innen und Aussen; die Herrscherin lässt uns Eigenverantwortung, eigene Souveränität und Autorität erkennen; die Magierin verbindet uns mit unserer eigenen Göttlichkeit, aktiviert Selbstheilungskräfte und führt uns intuitiv auf den richtigen Weg; und die Wandlerin schenkt in jeder Phase tiefes Vertrauen in die eigene Transformation. Und auch in ihrer Verdrehung bergen die 9 Archetypen so manch wirksames Elixier, das durch Erkennen und Erlösen der Schattenseiten seine heilende Energie freisetzt.
Entwicklung und Bereicherung
Es geht also nicht darum, mit #metoo oder ähnlichen Debatten neue Stereotypen zu zementieren, denn mehr das Stereotypische und «Richtige» an und für sich zu hinterfragen – denn letzteres wird immer im Zusammenhang mit Kultur und Zeit geprägt. Gleichberechtigung, Respekt und die Wahrung der Würde sind Werte, die angereichert mit der Fähigkeit, wahrzunehmen und empathisch zu erkennen, eine neue Ebene des Spiels zwischen Männlich und Weiblich in vielfältiger Form ermöglichen.
Die archaische Spannung zwischen Männlich und Weiblich bleibt bestehen, ist wichtig und unglaublich reizvoll.
Die archetypischen Kräfte in Frau und Mann mögen unterschiedlich genutzt oder priorisiert werden. Doch wir verfügen alle über die 9 Archetypen mit ihren Aspekten und Facetten und können je nach Bedarf und Bedürfnis darauf zurückgreifen. Das Erkennen, Aktivieren und Ausleben unserer vielseitigen Persönlichkeit und damit verbundenen Möglichkeiten schenkt uns selbst Tiefe und bereichert jede gemeinschaftliche und partnerschaftliche Verbindung, wie auch kurze Begegnungen. Die Archetypen eröffnen uns eine Dimension, in die Stereotypen und deren Oberflächlichkeit nie gelangen können. Denn sie unterstützen uns nicht nur darin, Verletzungen und Unsicherheiten zu überwinden, sondern auch Verbindungen mit anderen zu bereichern und mit Tiefe und Intensität zu versehen. Wir lernen sie selbst in uns kennen, sie können uns aber auch durch Impulse von aussen ausgelöst werden. In Freundschaften und Gemeinschaften und natürlich auch in Begegnungen mit einem reizvollen Gegenüber – gleich- oder gegengeschlechtlich – für eine kurze Episode oder ein Langzeitpartnerschaft. Je mehr wir uns auf den Anderen einlassen, desto mehr Facetten erkennen wir in uns selbst – und umgekehrt.
Übrigens, die archetypischen Aspekte sind nicht auf ein Frau oder Mann beschränkt, gelten für beide Geschlechter und werden lediglich in Kontext von Zeit, Kultur und Gesellschaft unterschiedlich zum Ausdruck gebracht.
Du möchtest mehr über die Archetypen erfahren?
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