Sinnsuche und selbstverantwortliche Spiritualität
Esther Guggisberg
Unser Geist strebt nach Erklärung und Sinn. In Wissenschaft, Philosophie, Psychologie, Spiritualität, Religionen, Kunst und Kultur versuchen wir, Antworten auf die grossen Fragen des Lebens und Sterbens zu finden. Wir alle sehnen uns nach Sinn und Sinnhaftigkeit, danach, uns dem «Grossen Ganzen» zugehörig zu fühlen und die Geborgenheit darin wiederzufinden.
Die Sinnsuche und das Streben nach Antworten geben unserem Leben Tiefe und Horizonterweiterung. Und es ist die mystische Suche nach dem Erkennen des Selbst im Aussen.
Die Gefahr von Dogmen
Schnell besteht auf dieser Reise die Gefahr, dass man sich ablenken lässt. Von schönen Theorien, von strahlenden Gurus und Allheilsversprechungen, von eigenen Wünschen und Projektionen. Eine Methode muss nur akkurat angewendet werden, es müssen nur genügend Stufen oder Grade erreicht (und bezahlt) werden. Und dann? Benebelt von fremden und dogmatisch umgesetzten Theorien und dadurch entfremdet vom eigenen Gespür, klatscht man früher oder später wieder auf den Boden der unangenehmen Realität. Hinterfragt man ein ganzes Konzept, ob das nun eine Religion oder ein anderes Glaubenssystem ist, und stösst dabei auf Ungereimtheiten, wird man wieder auf sich selbst zurückgeworfen: Kann ich diese Unstimmigkeiten in mir drin einfach abwürgen und das komplette System über meine eigenen Empfindungen drücken, so dass ich dem Grossen, dieser Gemeinschaft, dem Oberhaupt, den Schriften usw. nicht widerspreche? Kann ich mich selbst dahingehend manipulieren, meinen inneren Widerstand auszublenden? Ist das der Sinn der Sache?
Oder ist es möglich, Teil dieses Systems zu bleiben, obwohl ich nicht mit allem einig gehe? Lässt das System im Aussen das überhaupt zu? Und wie sieht es innerlich aus – zerbröckelt ein Glaube in mir, wenn wesentliche Bereiche für mich nicht stimmig sind?
Selbstverantwortung: von Glaube hin zur eigenen Spiritualität
Es steht ausser Frage, dass Religionen und Glaubenskonzepte den Menschen Halt gegeben, ihnen aber auch Selbstverantwortung in Bezug auf Denken, Fühlen und Handeln abgenommen haben. Indem Regeln und Anleitungen aufgestellt wurden – mit teilweise unverständlichen oder missverstandenen Erklärungen hinterlegt – entfremdete sich der Mensch immer mehr vom eigenen Gefühl, der Lernfähigkeit aus Ursache und Wirkung und somit eigenen Erkenntnissen. Als folgsame Soldaten und strebsame Beamte gaben die Menschen in Aufklärung und Industrialisierung der Wirtschaft weitere Kontrollfunktionen ab.
Abgelenkt durch Konsum und Instant-Glück sind wir heute selten mehr bereit, die oftmals schmerzhafte Sinnsuche, das Formen der eigenen Persönlichkeit und Erreichen wahrer erkenntnisreicher Tiefe durch Schmerz und dessen Verwindung zu durchschreiten. Diese Aufgabe anzunehmen, braucht Kraft und Aufmerksamkeit und haut uns aus unserer Alltagsfunktionalität raus.
Viele plätschern lieber an der Oberfläche und schmeissen zum Leidwesen anderer zusätzlich noch mit Pseudo-Weisheiten um sich.
Doch statt nur an der Oberfläche zu kratzen oder konsumfertige New-Age-Instant-Lehren zu übernehmen, können wir die grossartigen Möglichkeiten der heutigen Zeit nutzen. Die Glaubensfreiheit, die Freiheit, über all diese Themen nachzudenken und offen zu kommunizieren. Uns der eigenen Innenwelt zu widmen. Indem wir hier nicht täglich ums nackte Überleben kämpfen müssen, haben wir die Chance, uns mit uns selbst zu beschäftigen.
Was wir lediglich konsumieren, nicht bewusst durchlebt, nicht begriffen und nicht ergründet haben, ist gelinde gesagt eine Kopie. Es ist ein lauer Abklatsch davon, was wir selbst eigentlich zu bieten hätten. Lassen wir uns also auf uns selbst ein ein und lassen wir uns nicht mehr los.
Natürlich darfst du dich inspirieren lassen, dir Anregungen holen, dir in Krisen helfen lassen. Es steht dir alles im Aussen zur Verfügung. Religionen und Glaubenskonzepte, Vorbilder, Gurus und abgefuckte Freaks. Tonnenweise Selbsthilfebücher und jede Menge Erkenntnisse deiner Mitmenschen.
Doch übernimm die Verantwortung für dich selbst. Für deine Gefühle, dein Denken, deine Haltung und Lebenseinstellung. Sie muss für andere nicht gut und sinnvoll sein. Es ist an dir, zu fühlen, eigene Wunden zu heilen, zu erkennen, was dich gefangen hält und dich davon zu lösen. Die dissoziierten Anteile in dir zu beleben, den Schutt, der über frühere Träume gelegt wurde, zu transformieren und so deine Kräfte wieder freizusetzen. Wahrnehmen, durchleben und integrieren statt pausenlos zu konsumieren. Das ist es, was dir Tiefe verleiht. Was dich zu eigenen Erkenntnissen, zur inneren Weisheit und deinem ureigenen spirituellen Erleben führt.
Inspiration: Fantasie und Realität
Nutze die Kraft deiner Fantasie. Fange wieder an zu träumen und in deine Sehnsüchte einzutauchen. Berge deine verschütteten Träume.
Es spielt weniger eine Rolle, welche Therapien, Praktiken, Glaubensbekenntnisse oder religionsähnlichen Ansätze du dir zu Hilfe nimmst. Lass dir nicht einreden, es gäbe nur genau den Weg. Und ich weiss, so sehr man sich auch wünschen würde, dass man etwas genau auf die Art erreicht, wie die beste Freundin, der Lehrer oder eben genau dieser Instagram-Star es vorgeben – leider nein. Du hast deinen eigenen Weg.
Unser Gehirn unterstützt uns. Denn für das Gehirn spielt es keine Rolle, ob wir uns etwas nur vorstellen oder ob es tatsächlich physische erfahrbare Realität ist. Fakt ist, in unserem Körper, in unseren Gefühlen und Empfindungen werden die Reaktionen ausgelöst. Wir können uns mit Gedanken beflügeln oder uns mit Vorstellungen quälen. Wenn dir gewisse Mythen, religiöse oder spirituelle Konzepte gut tun, ergründe sie. Wenn dir etwas nicht zusagt, du nicht daran glaubst und es dich ganz einfach nicht berührt, lass es weg. Ob esoterische, spirituelle, religiöse, kulturelle, künstlerische, philosophische oder wissenschaftliche Ansätze. Nimm auf, was du brauchst und lasse gehen, was für dich nicht stimmt.
Spiritualität ist etwas Persönliches
Glaub mir, du trägst so vieles in dir. Entdecke deine Fantasie, deine Resonanz auf Mythen, Sagen, Brauchtümer, Theorien und Erkenntnisse. Mache dich neugierig und offen auf den Weg, selbst zu erleben, was für dich Spiritualität, die Verbindung mit einem «Grossen Ganzen», mit Transzendenz, mit Göttlichkeit, mit Mutter Natur und/oder dem Universum bedeutet. Erlebe diese Reise mit jeder Faser, aufmerksam und bewusst. Mache deine Erfahrungen und Erkenntnisse zu deinem Schatz und deinem inneren Reichtum.
Übernimm die Verantwortung für dich selbst – für deine Gefühle, dein Denken, deine Haltung und Lebenseinstellung. Sie muss für andere nicht sinnvoll oder nachvollziehbar sein. Du brauchst es nicht, dich zu rechtfertigen oder für Sehnsüchte, Träume und deine persönliche Spiritualität zu erklären.
Bleibe wach und bleibe weich. Dein Verstand, dein Körper, deine Gefühle und Empfindungen – allesamt sind sie für dich da und helfen dir.
Du selbst fühlst und spürst, was für dich deine spirituelle Wahrheit ist. Indem du die Verantwortung dafür übernimmst, woran du glaubst, wirst du frei von Dogmen und Glaubenszwängen. Die Demut an deinen eigenen Weg, an deine persönliche Sinnsuche befreit dich davon, andere belehren zu wollen. Wenn du deine eigene Spiritualität erfährst, lässt du auch anderen die Freiheit, genau das auch zu tun.
Deine schönste Offenbarung bleibt deine ewig zu ergründende ureigene Mystik.
Die Wandlung der äusseren Natur als Sinnbild für deine eigene innere Natur
Die Natur und ihre Wandlung durch die Jahreszeiten bot bereits unseren Vorfahren nicht nur Lebensgrundlage und physische Nahrung. Sie nährt seit jeher unser Herz, unseren Geist, unsere Fantasie, unsere Spiritualität, inspiriert zu Riten, reich an Symbolik für inneres Erleben.
Meine über 20-jährige Erfahrung mit dem Leben und Feiern des (keltischen) Jahreskreises habe ich für dich als Inspiration im Jahreskreis Onlinekurs erlebbar gemacht. Mit Texten, Bildern und Übungen im E-Book, Videos mit Erklärungen und Hintergründen (während eines Jahreszyklus‘ aufgenommen), spannenden Sagen im erzählten Videoformat und wunderschönen, erdenden Meditationen zu jedem Jahreskreisfest kannst du in die Welt des zyklischen Wandlung innerer und äusserer Natur durch das Jahresrad eintreten.
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